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Hamburg: Verwaltungsgericht stoppt Sendemasten-Bau

Quelle: Hamburger Abendblatt, 18.11.2002

Mobilfunk-Mast: Gericht stoppt Bau
Rotherbaum: Mehrere Anwohner der Hallerstraße hatten gegen die Firma T-Mobile geklagt

Von Mathias Eberenz

Silke Scheunemann-Eichner ist außer sich vor Wut. Genau gegenüber ihrem Schlafzimmer will der Mobilfunkbetreiber T-Mobile einen Sendemast für die neue UMTS-Handywelt anbringen. Auf dem Dach des Nachbarhauses. "Es ist nicht zu fassen, aber die Antenne würde direkt in unsere Wohnung strahlen", sagt die resolute 58-Jährige, die mit ihrem Mann Horst (62) an der Hallerstraße wohnt.

Zusammen mit sechs weiteren Wohnungseigentümern im Haus hat sie gegen die Errichtung der Antennen geklagt. Ergebnis: Das Verwaltungsgericht hat ihrem Antrag auf aufschiebende Wirkung stattgegeben. In einer mehr als dreistündigen Anhörung mit Klägern und dem Mobilfunkbetreiber bekundeten die Richter Sympathie für die Sorgen der Bewohner. "Das hat es bisher in Hamburg so noch nicht gegeben", freut sich Nicole Fischer (37) von der Bürgerinitiative Wellenbrecher in Eimsbüttel. Die Mobilfunkgegner kämpfen seit Monaten gegen die wachsende Zahl von Antennenanlagen in Hamburg, auch vor Gericht. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Rund 1500 Antennenstationen für das bisherige Mobilfunknetz gibt es zurzeit in Hamburg. Für die neue UMTS-Technik, mit der vom Sommer 2003 an mit wesentlich höheren Übertragungsraten sogar Videofilme von Handy zu Handy geschickt werden können, sollen bis zu 2000 weitere Antennenanlagen in der Stadt errichtet werden. Für jede einzelne müssen die Behörden eine Standortbescheinigung ausstellen - und sollen damit sicherstellen, dass die Grenzwerte für die Strahlenbelastung sowie die Sicherheitsabstände zur Wohnbevölkerung eingehalten werden.

Für die Antennen an der Hallerstraße haben die Experten einen Sicherheitsabstand von 6,56 Metern errechnet. "Viel zu wenig", empört sich Silke Scheunemann-Eichner. Ihre größte Sorge: "Mein Mann hatte kürzlich einen Herzinfarkt, bekommt vielleicht bald einen Schrittmacher. Außerdem hat er Metallimplantate in den Hüften. Kein Experte kann ausschließen, dass diese Strahlung für ihn gefährlich ist." Auch die anderen Bewohner im Haus, darunter eine Schwangere, fürchten sich vor den Antennen. "Unser Haus liegt schließlich genau zwischen den Sendeanlagen des Fernsehturms, des NDR an der Rothenbaumchaussee und dem Medienzen-trum mit dem Fernsehsender Hamburg 1", haben sie dem Gericht über ihren Anwalt Wilhelm Krahn-Zembol (47) mitgeteilt.

Der Spezialist für Umweltrecht zweifelt daran, dass die Summe aller vorhandenen und künftigen Mobilfunkanlagen für die Bewohner ungefährlich ist. Auch unterhalb der offiziellen Grenzwerte bestehe eine Gesundheitsgefahr, ist er überzeugt. "Ich habe Mandanten, die unter Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen, Mi-gräne und Tinnitus leiden", sagt Krahn-Zembol, der zurzeit vor dem europäischen Gerichtshof einen Musterprozess führt.

Die Richter in Hamburg wollen in einer Woche entscheiden, wie es mit der Klage weitergeht.

Kommentar von Mathias Eberenz, Hamburger Abendblatt: UMTS-Antennen vorm Kinderzimmer

Von Mathias Eberenz

Der Antennenwald über Hamburgs Dächern wird immer dichter - für die neue, bunte UMTS-Handywelt, mit der wir bald sogar Videofilme auf dem Handy sehen können.

Doch immer mehr Menschen fühlen sich bedroht: Von den meterhohen Stahlmasten auf Bunkern und Hochhäusern. Von den hässlich-grauen Sendeanlagen auf Gründerzeitgebäuden und Jugendstilvillen, die jeden Winkel der Stadt mit elektromagnetischen Strahlen ausleuchten sollen.

Wie unbedenklich ist diese Strahlung? Das fragen sich die Menschen spätestens dann, wenn ihnen eine dieser Antennen aufs Dach gesetzt wird. Oft ungefragt. Denn weder Mieter noch Anwohner müssen laut Gesetz über die Errichtung der Anlagen informiert werden.

Dabei ist eine Beeinträchtigung der Gesundheit durch die Strahlung nicht ausgeschlossen, sagen Kritiker - darunter Ärzte und Umweltschützer. Es gibt noch keine Langzeitforschung. Dafür aber Menschen, die in unmittelbarer Nähe von Antennen wohnen und über Herzrhythmusstörungen, Migräne oder Tinnitus klagen.

Der offiziell errechnete Sicherheitsabstand zu den heute gängigen Antennen beträgt gerade mal sechs Meter. Der Sendemast direkt vorm Kinderzimmer! Da ist Protest programmiert.

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